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zu locken. Dass Marie sich nicht dazu hergeben würde wusste er im Voraus und was ihn mehr als alles ärgerte, war, daß der Thumer Ratsherr, ihr Mann, ganz glücklich mit ihr lebte. Marie gehorchte ihrem einmal über sie verhängten Schicksale, und da ihr Mann glücklicherweise einer von jenen war, die gutmütig von Natur, zu jedem Ausdruck von Tyrannei unfähig sind, so stellte sich ihre Ehe mit ihm besser heraus, als anfänglich unter den obwaltenden Umständen zu hoffen war. Von der Seite hatte also der Gerichtshalter keine Unterstützung zu erwarten, er musste also auf eigene Hand einen Plan einfädeln, und bei einem so geschickten Unrecht zu Recht machenden Advokaten war dies nichts Unmögliches.

      Ein Brief fiel ihm in die Hände, den Marie an ihren Vater, den Schänker, geschrieben hatte, der eines Fiebers wegen das Bett hüten musste und den sie nicht besuchen konnte, weil zufällig auch ihr Mann durch eine Erkältung aufs Krankenlager hingeworfen worden war. Den Brief wusste der Gerichtshalter an sich zu bringen, er brauchte ihn der Handschrift wegen. Er selbst als ein vortrefflicher Schreiber verstand es, Handschriften nachzuahmen und in der Überzeugung. Dass der Stülpner Karl jedenfalls die Schriftzüge Mariens kenne, schrieb er einen andern täuschend ähnlichen Brief, unterzeichnet „Deine unglückliche Marie,“ in welchem er die Bitte um eine geheime Zusammenkunft in einer bestimmten Nacht im Hause seiner Mutter an ihn aussprechen ließ. Sie werde am Nachmittage des vorhergehenden Tages von Thum herüber zu ihrem Vater zu Besuch kommen und dadurch die Möglichkeit anbahnen, ungesehen, vom

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