037. Die weiße Frau am Brautstock in Altenberg. E-Mail

(Bürgermeister Schönherr im Freiberger Anzeiger 1883, No. 181. 1. Beilage.)


Der Weg durch die sogenannte lange Gasse in Altenberg, welche nach Zinnwald führt, wird vielfach begangen, man findet darin eine einfache unbearbeitete Porphyrsäule, der Brautstock genannt. Eingearbeitet sind die Jahreszahlen 1716 und 1820. Der Sage nach soll von Zeit zu Zeit und in gewissen Nächten eine weiß gekleidete junge Frau zu erblicken sein, welche am Steine seufzt, betet und dann zu versinken scheint. Im Anfange des vorigen Jahrhunderts soll unter seltsamen Umständen an dieser Stelle eine Vermählung stattgefunden haben. Ein in einem Duell verwundeter Offizier ließ sich hier die Geliebte antrauen und gab darauf sein Leben Gott zurück.


In Wirklichkeit durfte der genannte Brautstock nichts anderes als ein großer

Rainstein sein, der bei der großen Verrainung vom Jahre 17l6 zwischen der kurfürstlichen Waldung und derjenigen der Zwitterstocksgewerkschaft zu Altenberg gesetzt wurde. Der Stein trägt zunächst das Waldzeichen letzterer Gewerkschaft, das Jupiterzeichen aus den Kalendern, welches einem lateinischen „Z“ ähnelt, sodann die Jahreszahlen „1716“ und „1820“, die Rainungsziffer 53, nach Süden abermals das Jupiterzeichen und nach Westen ein lateinischen „A´ (Altenberger Staatsforstzeichen). Eine Innschrift führt der Brautstock nicht und doch ist derselbe schon seit Jahren unter diesem Namen als Grenzrainungsmarke in verschiedenen Karten und Fluraufrissen geführt worden. Der vorigen Sage von der weißen Frau am Brautstocke liegt eine wirkliche Begebenheit zu Grunde. Auf einer kleinen sumpfigen Waldwiese südlich von Peterswalde fand zu Anfange des vorigen Jahrhunderts ein Duell auf Kugeln statt, bei welchem der Garde-Kapitän von Siemenski tödlich verwundet wurde. Seine Braut war in einem Wagen mit einem Arzte gefolgt und als der letztere äußern, der Verwundete könne vielleicht noch geredet werden, wenn es gelänge, die Kugel durch einen sachverständigen Beistand zu entfernen, wurde der Garde-Kapitän in dem Wagen auf einer vierstündigen Fahrt über Schönwalde und Voitsdorf bis nahe vor Altenberg gebracht. Hier aber auf der steinigen Landstraße fühlte der Verwundete sein Ende herannahen und begehrte, dass ihn ein Geistlicher mit seiner Braut trauen sollte, um letztere in den ungeschmälerten Besitz seiner Güter zu setzen und ihre Ehre vor der Welt zu retten. Eilig wurde aus Altenberg der Pastor Johann George Bretschneider geholt und dieser vollzog unter freiem Himmel die Trauung. Darauf starb von Siemensky. Seine angetraute Gattin starb bei der Geburt eines Knaben. Welcher von einem Herrn von Nostitz erzogen wurde und später das Erbe seines im Duell getöteten Vaters antrat. Forstleute haben später durch den ein einfachen „Brautstock“ die Stelle bezeichnet, wo jene tragische Begebenheit der Vermählung im Angesichte des Todes sich ereignete. (S. Näheres bei Gießler, Sächsische Volkssagen. Stolpen ohne Jahreszahl. S. 607 ec.)



 
< zurück   weiter >