(Joh. Böhm in der Erzgebirgs-Zeitung, 2. Jahrg. S. 131.) Es weidete einmal ein Junge aus Waltersdorf, einem Dorfe am Südostfuße des hohen Steines, seine Herde, als um die Mittagszeit herum eine weiße Frau erschien und ihn fragte, was er denn in seinem Zwerchsacke trage. „Mein Brot,“ antwortete furchtsam der Hirt. „Gib mir etwas davon,“ bat die Frau, und während der Angesprochene ihrem Wunsche willfahrte, sagte er, dass er ihr nur wenig bieten könne, indem seine Bäuerin ein geiziges Weib sei, die ihrem Gesinde die Brocken in die Schüssel zähle. Da überreichte ihm die weiße Frau eine kleine Rute mit dem Bedeuten, das geizige Weib damit zu berühren, wenn sie im Begriffe stehe, ihm sein Brot mit auf die Hutweide zu geben. Außerdem streifte sie mit der Hand das Laub von dem Aste eines Baumes und sprach: „Nimm auch diese Blätter und hebe dieselben wohl auf, sie sind der Lohn für das mir gereichte Brot.“ Nach diesen Worten entschwand die Frau den Blicken des Hirten, der das erhaltene Geschenk in seinen Taschen barg. Als er aber am Abend seine Herde nach Hause trieb, wurde ihm das Tragen der Blätter unbequem, und einfältig, wie er war, warf er sie von sich. Wie reute ihn aber sein Thun, als er zu Hause angelangt, in seiner Tasche drei funkelnde Goldstücke fand, welche durch Verwandlung dreier von den geschenkten Blättern, die in seiner Tasche kleben geblieben, entstanden waren. Wohl lief er schnell zurück, um das so leichtsinnig weggeworfene Geschenk der gütigen Frau wieder aufzunehmen, allein sein Suchen war und blieb vergeblich. Die Blätter blieben verschwunden. Als ihm am andern Morgen die Bäuerin sein Brot schnitt, berührte sie der junge Hirte, ungesehen von ihr, mit der erhaltenen Rute und war erstaunt, das geizige Weib alsbald sprechen zu hören: „Dem Hirten muss ich heute ein großes Stück Brot samt einer Butterflade und mehrere Kuchen mit auf die Weide geben, er verdients.“ Und es geschah. So oft der Hirt die Bäuerin mit seiner wundertätigen Rute berührte, erhielt er eine reichliche und gute Zehrung. - Einst aber unterzog die Magd des Hauses den Stall einer durchgreifenden gründlichen Reinigung, und bei dieser Gelegenheit warf sie des Hüters Rute, der sie im Stalle oben unter einen Balken gesteckt hatte, mit hinaus. Weinend beklagte dieser nach seiner Nachhausekunft seinen unersetzlichen Verlust, aber das half ihm nichts. Die Bäuerin schnitt fortan das trockene Brot fast noch kleiner als vordem und bitter bereute es der Betroffene, das wohltätige Geschenk der weißen Frau nicht sorgsamer aufbewahrt zu haben. Diese erschien dem jungen Hirten zwar noch einige Male, aber nur in der Ferne. Ihre Gesichtszüge waren finster auf ihn gerichtet und drohend erhob sie manchmal den Zeigefinger ihrer Rechten gegen den Unachtsamen, vielleicht dadurch ihre Unzufriedenheit mit ihm zu erkennen gebend.
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