117. Der gespenstische Hund auf der Straße zwischen Udwitz und Komotau. E-Mail

(I. Mann in der Erzgebirgs-Zeitung, 1882, S. 14.)


Die Straße zwischen Udwitz und Komotau durchschneidet eine Gegend, in der bei Nacht Geister und Gespenster ihr Unwesen treiben und den Vorübergehenden oder Fahrenden allerlei Schabernack spielen. So spukte während einer längeren Zeit daselbst ein schwarzer Hund, der gleichsam auf der Lauer lag und der, sobald sich ein Bauer mit seinem Fuhrwerke näherte, auf dessen Wagen sprang. Der Bauer konnte sich anstrengen und machen, was er wollte, er mochte dem Hund zurufen oder ihm Peitschenhiebe versetzen, um sich desselben zu entledigen, alles umsonst, der schwarze unheimliche Gast blieb liegen, bis der Bauer die sogenannte St. Josephsstatue passiert hatte, dann war sein Begleiter verschwunden.

Einmal musste ein Bauer um die Mitternachtsstunde mit seinem Wagen den Weg passieren. Da gewahrte er plötzlich den schwarzen Hund, der, als er näher kam, mit einem Sprunge auf dem Wagen war. Der Bauer wurde leichenblass, er bebte und zitterte an allen Gliedern, nahm die Peitsche, schlug nach dem Hunde und fing an entsetzlich zu schimpfen, allein das unheimliche Tier rührte sich nicht. Da der Bauer einsah, dass er im Bösen nichts ausrichte, fing er an zu beten und zu seiner Überraschung wurde der Hund auf einmal halb weiß, blieb aber immer noch liegen. Jetzt wusste sich der schlichte Bauer keinen Rat mehr, er rief nun mit lauter Stimme: „Lieber Herrgott, lass mich doch nur wissen, was dieses Höllentier von mir will!“ Sobald er diese Worte gesprochen, wurde der Hund ganz weiß und verschwand, und eine Stimme rief dem Bäuerlein zu: „Tausend Dank! Du hast meine arme Seele erlöst und mich von meinem Leid befreit!“

Im Jahre 1867 ging am heiligen Weihnachtsabende ein mutiges Bürschchen, das bei einem Görkauer Meister in der Lehre stand, heim zu seinen Angehörigen nach Komotau. Furchtlos schritt der Jüngling vorwärts. Ein kalter Frost wehte ihn an, lautlose Stille herrschte ringsum, nur unterbrochen von dem Knirschen des Schnees. Schon hatte er Udwitz hinter sich, da, kaum noch 100 Schritte von der St. Josephsstatue entfernt, erblickt er den schwarzen Hund, dessen feurige Augen wohl auch dem Beherztesten Schrecken eingejagt hätten. Halbtot schleppte sich der arme Junge weiter, kein Auge von dem unheimlichen Begleiter wegwendend. Da griff er plötzlich in die Tasche, zog sein Messer heraus und stach auf die Bestie los. Zwar schwang der Arm das Messer, ein Schwefelgestank verbreitete sich, aber – ruhig schritt das Tier wieder neben dem Wanderer einher. Kalter Angstschweiß bedeckte die Stirn des armen Knaben, schon glaubte er, sein letztes Stündlein sei gekommen. Da faltete er die Hände und fing an zu beten. Kaum hatte er ein Vaterunser geendet, so war auch das Untier verschwunden. Bleich und verstört kam der Ärmste bei den Seinen an. Längere Zeit hindurch musste er das Bett hüten.


In den frühesten Zeiten hat der Hund wohl allen Ariern als ein den Göttern geheiligtes und darum mit der Gabe der Weissagung ausgestattetes Tier gegolten. Später wurde er Hüter der Unterwelt und galt dann als Tod- oder Unglücksverkündiger. Der eine von den beiden „Wege bewachenden“ Hunden, welche nach der indischen Sage dem Todesgotte Yama beigesellt sind, ist der schwarze Sarameya, der die Sterbenden heimsucht. Auch die griechische Mythe weiß von einem Höllenhunde und geistersichtigen Hunden wie die germanische Sage. Nach letzterer wittern es auch die Hunde der Sterblichen, wenn die Nornen und Walküren ausgesandt

werden, oder wenn die Pestseuche naht. Odin und seine Walküren werden von einem Hunde begleitet. Gespenster erscheinen als Hunde, so z. B. der holländische Nachtgeist Lodder, welcher seinem Namen nach dem Bruder Odins und Mitschöpfer der Menschen, Lothur, entspricht. (Rochholz, deutscher Glaube und Brauch I., S. 101.)



 
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