329. Der Schatz im Taurasteine. E-Mail

(Chemnitzer Tageblatt, 1882, No. 89, und nach einer poetischen Bearbeitung, mitgeteilt vom Lehrer Drescher in Burgstädt.)


In dem Taurasteine bei Burgstädt soll ein Schatz liegen. Auch erzählt die Sage von einem unterirdischen Verbindungswege zwischen dem Taurasteine und dem Rathause in Burgstädt. Einst soll auch auf dem Taurasteine ein Altar der heidnischen Wenden gestanden haben, welche sich, von ihren Priestern gerufen, im Hahnbusche versammelten, wenn sie zum Opfer hinaufzogen. Die Wenden und ihre Priester wurden vertrieben, aber noch lassen sich auf dem Platze gespenstische Männchen sehen, welche den verborgenen Schatz hüten. Es geschah einmal, dass ein Bewohner Burgstädts durch den Wald auf den Stein ging. Von der Hitze ermattet, legte er sich im Waldesgrün, wo ihm wohltätige Kühlung umsing, nieder und fiel bald in einen tiefen Schlaf. Plötzlich rief ihm eine Stimme zu. „Stehe auf, denn ich führ dich zu Deinem Glücke!“ Als er die Augen aufschlug, war es Nacht und vor ihm stand ein graues Männchen. Mit unsichtbarer Macht zog es ihn, dem Männchen zu folgen, wohin ihn dasselbe führte. Bald standen sie vor einer geöffneten Pforte, und im Innern der Höhle lagen Haufen von hellleuchtendem Golde. Da sagte das Männchen: „Jetzt sind wir am rechten Orte. Alles was Du hier siehst, soll Dein sein und du bist alle Deine Sorgen los. Nur eine Kleinigkeit wünsche ich dafür von dir: Dein Weib gebar dir einen Knaben, den sollst du mir für all dies Gold schenken, dass er mir mit Leib und Seele gehört.“ Da nahm der fromme Burgstädter schnell ein Kreuz, der Christen heiliges Zeichen, das er bei sich trug, hervor und hielt es dem Verführer entgegen. Plötzlich stürzten die Felswände krachend ein und das Gold sank wieder in die Tiefe hinab. Der Arme aber fiel mit bleichem Gesichte wie leblos zwischen dem Gesteine nieder, und als er am Morgen erwachte, wurde gar freundlich in der nahen Stadt das Pfingstfest eingeläutet. Zu Hause angekommen, fand er sein Weib, welches ihm in der Nacht ein Söhnchen geboren hatte, und als sich die Kunde von dem Geschehenen in der Stadt verbreitete, da eilte jung und alt nach dem Taurasteine, ob man noch etwas von dem Golde sehen möchte, doch jede Spur von der reichen Schatzkammer war verschwunden.



 
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