351. Das Lamm aus Goldkörnern der Müglitz. E-Mail

(Brandner, Lauenstein, seine Vorzeit ec. 1845, S. 324-26.)


Im Dorfe Fürstenwalde lebte in früherer Zeit ein Häusler, namens Bär, bei welchem seit vielen Jahren ein schlichter Fremder, angeblich ein Italiener, alljährlich einkehrte, sich mehrere Wochen daselbst aufhielt, und die dasige Gegend bloß deshalb besuchte, um in dem Flussbette der Müglitz Goldkörner und edle Steine zu suchen. Erstere soll er in der Gegend vom Kratzhammer abwärts bis an das sogenannte Löwenbrückchen, letztere hingegen außer in der Müglitz auch im Schlotteritzer Grunde gefunden haben. Seine Bemühungen wurden jedes Mal mit dem besten Erfolge gekrönt, und er lohnte daher seinem Wirte Kost und Herberge zur völligen Zufriedenheit. Nach mehr als zwanzigmaligem Wiederkehren eröffnete der Fremde endlich seinem Wirte, dass er nun nicht mehr nach Sachsen kommen, sondern seine Reisen einstellen werde, und bat ihn zugleich, ihn einmal in seiner Heimat zu besuchen, wozu er, der Fremde, die nötigen Anstalten schon

treffen wolle. Bär sagte zu. Nach länger als Jahresfrist erhält nun Bär von seinem frühern Gaste die Nachricht, dass er kommen solle, dass er nur bis Teplitz zu gehen und dort auf der Post sich zu melden brauche, indem das Übrige wegen seines Fortkommens und seiner Beköstigung schon besorgt sei. Halbgezwungen macht sich also Bär auf den Weg, findet alles so, wie die Nachricht es ihm gemeldet, und langt wohlbehalten in der ihm beschriebenen Stadt an. Hier geht nun Bär, die Adresse seines Freundes, welche den Namen der Gasse und die Nummer des Hauses enthielt, in der Hand, im schlichten ländlichen Anzuge die Gassen mehrmals auf und ab, ohne das Ziel seiner Reise gefunden zu haben, da er der dortigen Sprache nicht kundig ist und mithin auch sich niemandem mitteilen kann. Nach langem Suchen findet er endlich das mit der ihm angegebenen Nummer bezeichnete Haus, jedoch weit größer und prächtiger, als er sich das Haus seines Freundes gedacht. Er tritt aber demohngeachtet in dasselbe ein, um sich nach dem Namen des Besitzers zu erkundigen, wird aber von einem prachtvoll gekleideten Bedienten, der ihn für einen gewöhnlichen Bettler hält und dessen Sprache er nicht versteht, mit Gewalt wieder zum Hause hinausgebracht. In dieser Bedrängnis ruft ihm eine Stimme aus dem Hause zu: „Vater Bär, bist Du´s?“ Und gleich darauf erscheint zu Bärs großer Freude sein Freund, um ihn bei sich einzuführen. Bär, ganz erstaunt über die große Pracht, welche ihn auf einmal umgibt, verlebte mehrere Tage in seliger Trunkenheit. Sein Freund bot alles auf, ihm den Aufenthalt soviel wie möglich zu verschönern, und als Bär sich endlich zur Rückreise anschickte, führte ihn sein Freund noch in ein Kabinett, welches seine Schätze enthielt. Hier bat er ihn, unter mehreren dort aufgestellten, aus dem reinsten Gold gegossenen Figuren sich als Andenken eine mitzunehmen, da sie aus den Goldkörnern seien, welche er in Bärs Heimat gesammelt habe. Bär wählte nach langem Zaudern ein goldenes Lamm, und langte damit, sowie mit einer kleinen Summe Geldes, welche ihm sein Freund noch aufgedrungen, glücklich in seiner Heimat wieder an. Die Kunde von dem goldenen Lamme verbreitete sich bald in der Umgegend und kam endlich auch vor den Besitzer von Lauenstein, der am sächsischen Hofe eine Stelle bekleidete. Auf seine Veranlassung brachte Bär sein goldenes Lamm diesem aufs Schloss Lauenstein, und der Herr fand solches so kunst- und wertvoll, dass er den Vorschlag tat, dieses Lamm dem Kurfürsten zu zeigen. Auch dieser fand großen Gefallen an dem goldenen Lamme und suchte Bären endlich dahin zu bestimmen, dass er dasselbe gegen eine ihm zugesicherte lebenslängliche Rente dem Fürsten überließ. Das goldne Lamm soll sich noch heute im Königlichen

Kunstkabinett zu Dresden befinden, aber auch Bärs Nachkommen leben heute noch im Dorfe Fürstenwalde.


Eine thüringische Sage erzählt, wie einst ein Hirte von einem Venetianer, welcher ihm die Schätze im großen Wartberge zeigte, nachdem er die Schlangenkönigin getötet und ihre Krone an sich genommen hatte, ein Wunschtüchlein und die Einladung erhielt, ihn einmal in Venedig zu besuchen. Wirklich wünschte sich der Hirte einst zu dem Venetianer hin und plötzlich schwebte er über den Türmen Venedigs und fand seinen Bekannten in einem schönen Palaste. Er wurde gut aufgenommen und beim Abschiede mit einer kleinen Kutsche und 6 Pferden von gediegenem Golde beschenkt. Dies Geschenk hat der Hirte und seine Familie lange aufbewahrt, später ist es in die Kunstkammer zu Gotha gekommen. (Richter, Deutscher Sagenschatz, II, No. 50,)

Ebenso erzählt eine fichtelgebirgische Sage, dass ein Mann aus Wilfersdorf einen Goldsucher, den er in seinem Hause beherbergt hatte, in dessen Heimat Venedig besuchte und dort gut aufgenommen und reichlich beschenkt wurde. (Zapf, Der Sagenkreis des Fichtelgebirges, S. 102.)



 
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