361. Der Basler und die Baslerin zu Joachimsthal. E-Mail

(Wenisch, Sagen aus dem Joachimsthaler Bezirke, 1882, S. 7.)


Vor vielen Jahren lebte in der alten Bergstadt Joachimsthal ein gottesfürchtiger Gewerke, mit Namen Basler. Er besaß nebst Haus und Acker eine Grube, welche eine gute Ausbeute an Silber gab und sein Vermögen beträchtlich vermehrte. Plötzlich aber blieb das blinkende Silbererz in den harten Felsadern aus, und er traf auf lauter taubes Gestein. Basler, der ein sehr unternehmender Mann war, stellte jedoch seinen nunmehr kostspieligen Bau nicht ein, sondern ließ rühriger denn je mit Fäustel und Bohrer weiter arbeiten, da er in Bälde in eine silberhaltige Teufe zu kommen hoffte. Schon war aber Schrank und Beutel leer, Haus und Acker verpfändet, und noch immer leuchtete ihm kein Hoffnungsschein in der Grube. Seine Lage gestaltete sich vielmehr von Tag zu Tag trauriger, denn er wurde von seiner Freunde Schwarm nun gemieden, und einen Bergknappen nach dem andern musste er aus seinem Dienste entlassen. Zuletzt war er auf seine Kräfte allein angewiesen, doch ließ er auch jetzt voll Zuversicht, dass Gott ihm helfen werde, den Mut nicht sinken und baute unverdrossen und emsig im harten Gestein fort, - leider ohne allen Erfolg. Dadurch geriet seine Familie, die ehemals in guten Verhältnissen gelebt hatte, in die bitterste Not. Um die Seinigen zu ernähren, sah sich der arme Basler, dem niemand mehr Geld vorstrecken mochte, sogar genötiget, nicht bloß Hausgeräte, sondern auch halbwegs entbehrliche Kleidungsstücke zu verkaufen.

Als eines Tages die Not aufs Höchste gestiegen war, und er sich weder zu raten noch zu helfen wusste, nahm seine Frau ihr teuerstes

Kleinod, einen feingestickten Schleier, der noch von all ihren Habseligkeiten übrig geblieben war, in die Hand. Ihn hatte am Hochzeitsfeste die gute Mutter ihr ins Haar geknüpft und gesegnet, darum war der Schleier ihr so lieb und wert. Sie betrachtete denselben unter tiefem Seufzen lange mit tränenfeuchten Blicken, denn zentnerschwer drückte ihr Herz der schreckliche Gedanke, ihr kostbarstes Pfand mütterlicher Liebe zu veräußern. Endlich entschloss sie sich, freilich schweren Herzens, zum Verkaufe des Brautschleiers. Aus dem gelösten Gelde kaufte Basler, nachdem er für das nötige Brot gesorgt hatte, Unschlitt ein, um sein Geleucht aufschütten zu können. Er wollte nämlich, um sein Glück zu versuchen, noch einmal anfahren, dann aber, falls auch dieser Versuch missglückte, den Bergbau, der ihn zum Bettler gemacht, aufgeben. - Als sich nun Basler zur Fahrt nach der Grube gerüstet hatte, sprach er, treu seinem gewohnten Spruche: „Bete und arbeite!“ Ein herzinniges Bergmannsgebet, fuhr hierauf ein und schritt ans Tagewerk. „Herr“, sprach er zu sich selbst, du kennest mein ehrliches Sinnen und Trachten, sowie meinen und der Meinigen Jammer und Gram, erbarme dich unser und segne heute meiner Hände Arbeit, damit ich viel, recht viel zur Verherrlichung Deines Hauses beitragen kann!“ - Es gingen nämlich gerade zu derselben Zeit - es war im Jahr 1536 - die Grafen Hieronymus und Laurenz Schlick daran, in Joachimsthal, dem rasch aufgeblühten und zu den schönsten Hoffnungen berechtigenden Bergorte, eine neue, stattliche Kirche zu bauen. Wie sehr mochte sich wohl unser frommer Basler, der früher so reiche Bergherr, gekränkt haben, dass er jetzt in seiner größten Armut gar nichts zum Baue des Gotteshauses beisteuern konnte! Er ergriff, gestärkt durch sein unerschütterliches, festes Gottvertrauen, sein Gezäh und arbeitete mit solcher Kraft, dass das Gestein weit umhersprang. Da bemerkte er auf einmal, dass das Unschlitt in seiner Lampe zu Ende ging, er wollte nun sein Geleucht wieder auffüllen, allein das Unschlitt war verschwunden. Bestürzt und unmutig, dass ihm auch seine letzte Hoffnung vereitelt sei, suchte er nach dem Unschlitt und sah eine Maus mit demselben ihrem sicheren Verstecke zueilen. Über das mutwillige Tierchen erzürnt, erfasste Basler seinen Schlägel und warf nach dem Mäuschen. Aber nicht dieses zerschmetterte sein wuchtiger Wurf, sondern das Felsgestein an der Öffnung der Wand, in der das Mäuschen verschwunden war. Doch siehe, was schimmert da unserm Basler entgegen? Ist’s bloß blendender Schein oder Wirklichkeit? Er prüft und findet, dass eine Silberader sich vor ihm geöffnet hat. So wurde mit einem Male Basler auf höchst merkwürdige und überraschende Weise wieder in den Stand gesetzt, den Bergbau mit vielen Knappen

zu betreiben. Er ward gar bald ein reicher Mann, der aber auch als solcher seinem früheren einfachen und frommen Lebenswandel treu blieb. Sein Gelübde erfüllte er treulich. Er spendete für die Kirche zu Joachimsthal ein silbernes Kreuz und ließ überdies einen Predigtstuhl verfertigen, dessen Stütze ihn selbst im Bilde in Wams und Bergkappe darstellte.

Noch bis zum furchtbaren Brande des 31. März 1873 konnte man diese interessante Bergmannsfigur in der reichen und geschichtlich merkwürdigen Dekanatkirche zu Joachimsthal, die an dem genannten Tage ebenfalls zerstört wurde, unter dem Predigtstuhle sehen.

Baslers Frau, vom ungewöhnlichen Glücke berauscht, vergaß Tugend und Frömmigkeit und wurde über alle Maßen stolz und hochmutig. Als ihr Mann auf der Totenbahre lag und die Bergknappen beim Einsegnen vor dem Haustore standen und nach ortsüblicher Weise das Trauerlied mit den Worten beendigten:

„Du bist, Herr, stark in Deinem Arm,

Du machst bald reich und machst bald arm“,

Da sprang die Übermütige, prangend im kostbaren Kleide und strahlend im Diamanten- und Perlenschmucke, zum offenen Fenster und rief voll Zorn und Hohn hinab: „Frau Basler kann und wird niemals verarmen!“

Noch in erhöhterem Grade gab sich Frau Basler von jetzt an der Verschwendung hin, sie lebte in Saus und Braus, so dass ganz unbemerkt die Silberschätze in ihren Kästen und Truhen gleich einer Seifenblase zerrannen. Eines Tages stand sie auf der Prager Brücke. Da zog die Prahlerin einen prächtigen Siegelring vom Finger, warf ihn in die Moldau und rief:

„So wahr, als mein Ring nicht kehrt nach Haus,

So wahr schöpf´ ich meine Schätze nicht aus!“

Ein Fisch aber hörte die übermütigen Worte der frevelnden Baslerin und sah das kostbare, blitzende Ringlein, da dachte er bei sich:

„Ohnedies harrt der Tod mein, es soll auch für dich der Tod sein!“ Bald ließ der Lachs, der den Ring verschlungen hatte, sich fangen. Und siehe da! Des andern Tages brachte ein Fischer einen Fisch, in dessen Bauche sich der Ring befand, der zur Frau Baslerin heimgekehrt war, und wie der Ring kam zurückgeschwommen, so ist sie hülflos auch verkommen. - Die Maus hat Baslern zum Reichtume verholfen, der Fisch der Baslerin zur Armut.


Einzelne Züge dieser Sage haben große Ähnlichkeit mit solchen in der folgenden Sage von den Tellerhäusern bei Oberwiesenthal.



 
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