(Ziehnert, Sachsens Volkssagen. Anhang, No. 51.) Auf dem Rittergute Blankenhain im Amte Zwickau diente einst ein ehrlicher und braver Hirtenjunge, namens Liebhold, dem aber die Knechte und Mägde gehässig waren, weil er, sobald er von denselben etwas sah, was wider den Willen seiner lieben Herrin, der Edelfrau, war, ihr solches immer sogleich anzeigte. Als daher einmal der gnädigen Frau ein goldnes Kettchen weggekommen war, ergriff das gottlose Gesinde die günstige Gelegenheit, den armen Jungen zu verderben, der gewissenloseste unter den Knechten ging hin zur Herrin und zeigte Liebholden als den Dieb an, den er über der Tat betroffen habe. Die Edelfrau übergab den Angeklagten den Gerichten, welche ihn nach vielfachem Verhöre, wie hoch er auch seine Unschuld beteuerte, auf den falschen Schwur seines Anklägers zum Strange verdammten. Nach wenigen Tagen wurde das Urteil vollzogen. Unter wimmerndem Geläut der Sünderglocke führte man den armen Liebhold hinaus vor das Dorf, wo ein großer Balken mit einem Arme oben als Galgen aufgerichtet war. Noch einmal, ehe er in den Tod ging, betete er zu Gott, dass er seine Unschuld rechtfertigen möge und dann, zu den Umstehenden gewendet, rief er: „Der mich angeklagt hat, der hat einen falschen Eid geschworen. Denn, so wahr ich unschuldig bin, so wahr wird dieser Balken, welcher mein Galgen sein soll, nach meinem Tode anfangen zu grünen und Zweige treiben, und Jahrhunderte hindurch als ein frischer Baum bewundert werden!“ Darauf wendete er sich zum Henker und litt mit frommer Zuversicht auf das Jenseits den unverdienten schmachvollen Tod. - Und als das nächste Frühjahr kam, da gab Gott die Unschuld Liebholds an den Tag. Der Balken des Galgens wurde grün und trieb Zweige, so wie es Liebhold vorhergesagt hatte. Die Edelfrau wurde darüber voll Unruhe und gebot, den meineidigen Knecht zu verhaften. Aber ehe die Häscher denselben erreichten, hatte er sich im Koberbache ertränkt. Es wurden später mehrere nahe am Rittergute stehende, hohe Erlen umgeschlagen, und auf einer derselben fand man ein Dohlennest und darinnen das gestohlene goldne Kettchen der Edelfrau. - Der Galgenbaum, jetzt ein starker und hoher Baum, ist heute noch bei Blankenhain zu sehen.
Sagen von dürrem Holze, von Pfählen, Stecken und dergleichen, welche wieder grünen und dadurch die Unschuld eines unschuldig mit dem Tode Bestraften anzeigen, gibt es auch an andern Orten. So erzählt eine thüringische Sage, dass ein Bursche aus Lautersdorf, welcher, der Hexerei angeklagt, zum Richtplatze geführt wurde, beim Anblicke von Pfählen, die ein Bauer einschlug, um Bäume anzubinden, noch seine Unschuld mit den Worten beteuerte: „So wahr ich unschuldig bin, wird Gott ein Wunder tun und einen dieser dürren Pfähle ausschlagen und zum starken Baume heranwachsen lassen.“ So geschah es. Als das Volk von der Richtstätte zurückkehrte, hatte einer der trocknen Pfähle grüne Blätter und braune Zweiglein bekommen. Er wuchs zu einer starken Buche empor. (O. Richter, Deutscher Sagenschatz, 3. H. No. 69,) |