(Nach der poet. Bearbeitung von Ziehnert in Gräße, Sagenschatz ec. Nr. 525.) An der östlichen Außenseite der Kirche zu Schlettau befindet sich etwa 8 Ellen von der Erde ein Stein in der Mauer, der angeblich, ohne von Menschenhänden bearbeitet zu sein, einem Mönchgesichte tauschend ähnlich ist. Das Volk erzählt sich von demselben folgende wunderbare Geschichte: Um das Jahr 1520 war Johannes Küttner (oder Kottne), ein Bruder des Grünhainer Abtes Georg Küttner, Pfarrer zu Schlettau. Da begab es sich, dass einst in stiller Mitternacht, als dieser noch eifrig in den Kirchenvätern studierte, ein bleicher Schatten vor ihn hintrat und also sprach: „Fürchte dich nicht, ich bin der Geist eines Deiner Vorgänger, der vor nunmehr 100 Jahren, als die Hussiten in der Nähe waren, ein silbernes Kruzifix um Mitternacht in die Kirchmauer vergrub, wo es noch ist, ich ward am nächsten Morgen von den wilden Ketzern erschlagen und bin jetzt gekommen, um dich aufzufordern, das heilige Kreuz wieder an seinen frühern Ort auf den Altar zu stellen, du wirst den Fleck, wo es vermauert ist, leicht erkennen, denn es wird sich Deinem Auge ein Lichtschein zeigen und da, wo derselbe erglänzt, schlage ein, und du wirst es sogleich entdecken!“ Damit verschwand der Geist, der fromme Pfarrer aber eilte in die Kapelle, wo der Sakristan ihn bereits zur Messe erwartete. Diesem teilte er das Erlebte mit und hieß ihn am folgenden Mittag mit Hammer und Spitzhaue zur Hand sein, um das Kruzifix aus seinem Verstecke herauszunehmen. Kaum war aber der Pfarrer wieder weggegangen, da versuchte der Böse das dem Geize an sich schon zugewendete Herz des Sakristans, er beschloss auf der Stelle den Versuch zu machen, das Kruzifix zu entdecken, den Raub auf die Seite zu schaffen und dann den Fleck möglichst gut wieder auszubessern, damit man von dem geschehenen Diebstahl nichts gewahren möge. Nach kurzem Suchen fand er auch das Lichtlein, und als er an der Stelle, die hohl klang, einschlug, blinkte ihm auch das Silber entgegen, allein er hatte bei dem Schlage das eherne Bildnis des Heilandes mit zerschlagen. Da fuhr auf einmal ein Donnerschlag vom Himmel herab und die Kirchenglocken fingen von selbst an Sturm zu läuten. Der Pfarrer fuhr aus dem Schlummer empor, er eilte herab und fand schon eine Menge Volk um die Kirche versammelt, weil man glaubte, dieselbe stehe in Flammen. Als die Türen geöffnet wurden, fand man dieselbe zwar ganz hell, aber nirgends sah man Feuer, wohl aber lag der Tempelräuber zerschmettert neben dem herabgestürzten Kruzifix am Boden, doch war sein Kopf vom Rumpf wie abgehauen, und als man nach demselben suchte, fand man ihn an derselben Stelle in der Mauer, wo das Kruzifix eingemauert gewesen war. Der tiefbetrübte Pfarrer ließ nun das zerschlagene Bild des Heilands aus seinen Trümmern zusammensuchen, den Körper des Verbrechers aus der Kirche fortschaffen und befahl, den Kopf desselben nach Morgen zu in der Mauer zum ewigen Gedächtnis einzumauern. Als aber der Tag anbrach, da sah man das bleiche Gesicht des Sakristans von selbst zum Stein geworden aus der Mauer heraussehen, und dort steht es noch, denn es lässt sich weder übertünchen noch vermauern, ja man erzählt, dass es oft Tränen vergieße und allemal, wenn dem Städtchen Gefahren drohen, in gelbem Lichte leuchte.
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