470. Der Riese Einheer. E-Mail

(Tob. Schmidt, Chronica Cygnea II. 1656, S. 5 und 6.)


Als im Jahre 805 Karl der Jüngere, Karls des Großen Sohn, die aufrührerischen Böhmen überwunden und ihren Fürsten Lecho erschlagen hatte, zog er durch den Böhmerwald in die Gegend von Zwickau, um hier, sowie überhaupt zwischen Saale, Mulde und Elbe

die mit den Böhmen verbündeten Wenden zu strafen. In diesem Kriege hat auch die Fürstin Schwanhildis mit ihren Schwanfeldern dem Kaiser getreulich gedient, so dass Karl der Jüngere die Stadt Zwickau zur Mark wider die Wenden und Böhmen machte. In derselben Zeit lebte auch ein Riese oder Recke, der hieß Einheer (sein rechter Name ist aber Aenotherus gewesen) und war ein Schwabe, gebürtig aus Thurgau in der Schweiz. Dieser watete durch alle Wasser, durfte über keine Brücken gehen, zog sein Pferd bei dem Schwanze nach und sagte allezeit: „Nun Gesell, du musst auch hernach“. In den genannten Kriegen des Kaisers half er diesem gegen die Wenden. Er mähete die Leute wie das Gras nieder, hängte sie an den Spieß, trug sie über den Achseln wie Hasen oder Füchse, und da er wieder heim kam und seine guten Gesellen und Nachbarn fragten, was er ausgerichtet hätte und wie es ihm im Kriege gegangen wäre, sagte er aus Unmut und Zorn: „Was soll ich von diesen Fröschlein sagen? Ich trug ihrer sieben oder achte an dem Spieß über der Achsel, weiß nicht, was sie quaken, ist der Müh nicht wert, dass der Kaiser so viel Volks wider die Kröten und Würmer zusammengebracht.“ Es flohen vor ihm die Feinde und Wenden und meinten, er wäre der leidige Teufel.


Die Sage vom Riesen Einheer erzählen auch die Brüder Grimm (Deutsche Sagen, I, Nr. 18), jedoch ohne Beziehung auf die Gegend von Zwickau. Es heißt darin noch: Diesen Riesen nennt man Einheer, weil er sich in Kriegen schier einem Heer vergleicht und also viel ausrichtet.



 
< zurück   weiter >