488. Das Wappenschild der Schönburge. E-Mail

(Dietrich und Textor, Die romant. Sagen des Erzgebirgs, I. S. 35 ec.)


In seiner Herrlichkeit saß Karl der Große eines Tages auf dem Herrscherthrone zu Pavia, und alle seine Edlen standen um ihn im weiten Kreise. „Zeigt mir Eure Wappenschilder,“ sprach der hohe Siegesfürst, „dass ich ihre Kleinode durch neue, auf die späte Nachwelt forterbende Zeugnisse Eurer Taten verherrlichen kann!“ Da nahten sich ihm die Großen seiner Reiche und er bestätigte die Kleinode in ihren Wappenschildern oder fügte denselben neue bei. Jetzt fiel sein Blick auf einen der jüngsten seiner Edlen. Einfach, ohne Kleinod war das Silberschild des blonden jugendlichen Helden. „Schönburg!“ sprach zu ihm der große König, „auch Deine Taten sah ich in dem letzten Kampfe, auch Deiner Tapferkeit verdanke ich den Sieg, willst du kein Kleinod in das Wappenschild?“ Da erwiderte der junge ritterliche Held: „ Erhabener Herr und König! Was ich tat, war Pflicht, und ich focht bis jetzt für dich, ohne

für dich zu bluten. Lasse mir mein Wappenschild, rein sei es in seiner Silberfarbe, der Unschuld und der Herzensreinheit wahres Sinnbild für und für!“ „Bescheidener Jüngling!“ sagte darauf der Kaiser, „Du sollst es so behalten, bis mit Deinem Blute sich´s färbt zu meiner Ehre. Sei immer, was Du warst, ein Ritter ohne Furcht und Tadel, einfach und gut, tapfer und bescheiden, und das treue Vorbild Deines künftigen Stammes! Die Tage des Ruhmes werden kommen!“ Und sie kamen. Noch einmal trat Wittekind, der Herzog der Sachsen, als Feind gegen Kaiser Karl auf. Eine furchtbare Schlacht entbrannte, Karl wurde umgangen, die Felsen im Rücken seines Heeres waren vom Feinde besetzt, Steine hagelten nieder und entwurzelte Baumstämme rollten auf die Streitenden herab. Da zerschmetterte ein Felsenstück Kaiser Karls Schild und seine Brust war nun den Waffen der Feinde freigegeben. In dieser Not erhob sich aus dem Leichenhaufen um ihn der Verwundeten einer. Blässe deckte das schöne Angesicht und Blut floss aus der treuen Brust. Er reichte dem Kaiser seinen Schild und sank ermattet wieder nieder. Die Feinde staunten und meinten ein Wunder zu sehen, denn sie hatten den gefallenen Helden an des Kaisers Seite erblickt und zum Tode getroffen fallen sehen. Die Christen wurden mit neuem Mute erfüllt und erfochten unter Karl einen glänzenden Sieg. Jetzt blickte der Kaiser aufmerksam auf den Schild, welcher ihn errettete und er rief: „Das ist Schönburgs Schild! Wo ist er, der ihn trug?“ Man

suchte einen Toten und fand einen Schwerverwundeten. Derselbe schlug die Augen auf, als Karl vor ihm stand und sprach: „Mein Herr und König!“ Der Kaiser aber sprach, nachdem er ihm die blasse Lippe geküsst: „Du hast vollbracht, was du gelobt! Dein König bin ich und Dein Freund!“ Dann berührte er mit dem Ring-, Mittel- und Zeigefinger seiner Rechten die blutende Wunde und strich mit der Wunde reinem Blute zweimal über das silberfarbene, herzförmige Wappenschild, so dass zwei rote Streifen des edlen reinen, für Christentum, König und Vaterland vergossenen Blutes es verherrlichten. „Schönburg! dies sei fortan Dein Zeichen, Dein Blut das Wappenkleinod Deines Hauses!“



 
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