(Gießler, Sächs. Volkssagen, Stolpen o. I., S. 301.) Es ist geschichtlich erwiesen, dass vor der Zerstörung des Schlosses Frauenstein im Jahre 1438 der Ritter Dietrich von Vitzthum, welchem die Burg vom Grafen Heinrich von Plauen zur Bewahrung anvertraut worden war, mit böhmischen Raubrittern gemeinsame Sache machte. Um nun den durch die versteckten Nachbarburgen und die damaligen dichten Waldungen um Frauenstein begünstigten Bedrückungen der Wegelagerer ein Ende zu machen, entsandte Kurfürst Friedrich der Sanftmütige Abgeordnete mit einem Herold nach dem Frauenstein, um Vitzthum zu sofortiger Verweisung des böhmischen Raubgesindels zu veranlassen.
Die kurfürstlichen Gesandten kamen an dem weit im Lande berüchtigten Räuberneste an, fanden aber das äußere Burgtor verschlossen und die Zugbrücke aufgezogen. Der Herold ließ den herkömmlichen Trompetenruf erschallen und verkündete darauf laut den Befehl des Kurfürsten: „Dietrich von Vitzthum, du sollst gehalten sein, dem Durchlauchtigen Kurfürsten des heiligen Römischen Reiches, Friedrich, Herzog zu Sachsen und Markgraf zu Meißen, zu Befehl zu handeln und also bald die böhmischen und anderen Ritter von dir zu tun, welche das Land berennen und die Reichsstraßen und sonstigen Wege unsicher machen, die Bürger berauben und brandschatzen. Also gebietet der Durchlauchtige Lehnsherr, du mögest seine Abgeordneten mit Glimpf empfangen und in allen Stücken seinem Befehlig aus ihrem Munde gehorsamen, bei Acht und Aberacht, die dich und alle, so zu dir halten, Freie und Unfreie, treffen wird, wenn den Landfriedensbrechern noch ferner Unterstand auf dem Frauenstein gewährt würde. Künde dir das zum ersten-, zum andern-, zum dritten male, kraft meines Amtes, Dietrich von Vitzthum!“ Wieder blies der Herold in die Trompete und erwartete, gegen das Tor vorreitend, eine Antwort. Dieselbe kam auch alsbald, aber in Gestalt eines starken Armbrustpfeiles, der dicht an den Ohren des Herolds vorübersauste. Dazu erklang aus der Burg ein höhnisches Gelächter. Am Fenster des Torwärters erschien der Ritter Dietrich und rief: „Was schiert mich der Markgraf von Meißen? Der Burggraf von Plauen ist mein Herr, dem nur stehe ich Rede und sonst keinem!“ Unverrichteter Sache zogen die Gesandten von dannen, vorher aber hefteten sie noch die Vorladung für Dietrich von Vitzthum zum Achtsprozess an das Gerichtsbrett des Rathauses zu Frauenstein. Der Kurfürst war über die Widersetzlichkeit Vitzthums in hohem Grade erzürnt und bot alsbald die Bürger der benachbarten Städte zum Zuge gegen das Schloss Frauenstein auf. Die Freiberger ließen auch nicht lange auf sich warten und schlossen sich dem kleinen Feldzuge um so lieber an, als ihnen durch die Räuber auf dem Frauenstein, welche die wichtige Handelsstraße nach Böhmen beunruhigten, schon beträchtlicher Schaden zugefügt worden war. Sie erschienen unter Kuno von Schönberg mit den übrigen kursächsischen Streitgenossen alsbald, und als auf die übliche Aufforderung zur Übergabe der Burg keine Antwort erfolgte, wurden die Donnerbüchsen auf die Umfassungsmauern des Schlosses gerichtet. Die Steinkugeln, deren man noch etliche als Andenken in dem alten Gemäuer sieht, prasselten gegen die Burg, jedoch auch die Besatzung schleuderte unzählige Wurfgeschosse gegen die Belagerer. Es entbrannte ein harter Kampf, der lange unentschieden blieb, bis plötzlich große Rauchwolken und Flammen aus der Burg emporstiegen. Jetzt wurde dieselbe auf ein gegebenes Zeichen gleichzeitig von allen Seiten berannt und in kurzer Zeit wurde sie von Kurfürst Friedrichs Mannen erstiegen. Innerhalb der Burg entbrannte nun ein Kampf Mann gegen Mann, wobei auch Kuno von Schönberg und Dietrich von Vitzthum zusammentrafen. Beide fochten löwenkühn, zuletzt siegte jedoch der Ritter von Schönberg und stieß den Gegner nieder. Man schleppte den verwundeten Vitzthum fort, und was noch von der Burgbesatzung lebte, ergab sich auf Gnade und Ungnade. Drei Tage hatte der Verurteilte Zeit, sich zum Abschied vorzubereiten. In den ersten Tagen des Dezembers 1438 strömten Hunderte aus der Umgebung Frauensteins nach der Stadt, um den einst gefürchteten Vitzthum hinrichten zu sehen. Dicht gedrängt stand die harrende Menge im Schlosshofe, da erklang von der Burgkapelle her das Sterbeglöcklein, vier Knappen brachten den armen Sünder, der schwer verwundet und kaum bei Besinnung war, zur Richtstatt und alsbald wurde der Spruch des Gerichtes mit dem Schwerte an ihm vollzogen. Die Burg wurde hierauf insoweit zerstört, dass sie nicht mehr widerstandsfähig war und den Räubern keinen weiteren Schlupfwinkel zu bieten vermochte. Dann erst zogen die Kurfürstlichen ab. Der Burggraf von Plauen ging seiner Besitzung Frauenstein, die er so unwürdig hatte verwalten lassen, verlustig, das Lehen wurde vom Kurfürsten eingezogen. Der Geist des hingerichteten Raubritters soll von Zeit zu Zeit noch immer in der Schlossruine umgehen und auch in den hinteren, nicht bewohnten Teilen des neuen Schlosses schon bemerkt worden sein. In der Nähe des Parkschlösschens lässt sich manchmal etwas „Graues“ sehen. |